Peter Grandl hat mich bereits mit seiner Turm-Reihe überzeugt – und nach einem persönlichen Gespräch in meinem Podcast war die Vorfreude auf „Reset – Die Wahrheit stirbt zuletzt“ umso größer. Damals hat er bereits die faszinierende Grundidee angedeutet, die nun in voller Länge vor mir liegt.
Globaler Thriller mit brennender Aktualität: Wenn die Wahrheit stirbt
Die Prämisse von „Reset“ ist so beunruhigend wie genial: Was, wenn nichts mehr wahr ist? Grandl entfesselt eine Kette globaler Katastrophen, die unsere Realität ins Wanken bringen. Ein gekaperter Lufthansa-Airbus, der abgeschossen wird. Ein mutmaßlicher Nuklearschlag in der Ukraine, der die NATO in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Börsencrashs und Hyperinflation. Doch all diese Ereignisse haben einen gemeinsamen Nenner: Sie könnten massive Deep Fakes sein, orchestriert von einer unbekannten Kraft, die die Welt in den Abgrund stürzen will. Grandl verwebt diese Bedrohungsszenarien zu einem atemberaubenden Szenario, das sich erschreckend nah an der realen Weltpolitik bewegt.
Packender Einstieg und stringente Logik
Grandl zieht einen sofort in den Bann. Der Einstieg mit dem Abschuss des Passagierflugzeugs ist ein Paukenschlag, der ohne lange Vorrede die Dramatik der Situation vermittelt. Die kurz gehaltenen Kapitel treiben die Handlung unerbittlich voran und machen das Buch zur echten Page-Turner-Lektüre. Besonders gelungen ist die stringente Logik, mit der Grandl sein Szenario aufbaut. Jede Eskalationsstufe folgt plausibel auf die vorherige, was die Bedrohung umso greifbarer – und beängstigender – macht.
Eine Armee von Charakteren: Gut organisiert, aber etwas kühl
Angesichts der globalen Handlungsebenen führt Grandl eine Vielzahl von Charakteren ein – von deutschen Geheimdienstlern über US-Militärs bis hin zu internationalen Politikern. Die beigefügte Personencarta ist hier ein segensreicher Helfer und erweist sich besonders zu Beginn als unschätzbar wertvoll. Die Charaktere sind klar umrissen und handeln stets nachvollziehbar innerhalb ihrer Rollen. Allerdings bleiben sie mir emotional oft etwas distanziert. Sie funktionieren perfekt als Rädchen in der hochkomplexen Plot-Maschinerie, aber echte Herzenswärme oder tiefe emotionale Bindungen kommen etwas kurz. Die Protagonisten sind kompetente Problemlöser in einer Welt am Abgrund, doch ihre persönlichen Geschichten treten hinter die globale Bedrohung zurück.
Spannungsbogen mit kleinen Dellen
Grandl hält die Spannung bis zum Finale hoch. Die Auflösung des Rätsels um die Urheber der Attacken ist clever konstruiert und wird erst spät preisgegeben. Die gründliche Recherche des Autors ist in jedem Kapitel spürbar und verleiht der dystopischen Fiktion eine beklemmende Glaubwürdigkeit. An einigen Stellen hätte der Roman jedoch von einer leichten Straffung profitiert. Bestimmte Szenen, besonders in der Mitte des Buches, ziehen sich etwas in die Länge und bremsen das Tempo aus.
Fazit: Ein fesselnder und nachdenklich stimmender Techno-Thriller
„Reset“ ist ein Thriller, der unter die Haut geht – nicht nur wegen seiner actiongeladenen Handlung, sondern vor allem wegen seiner beunruhigenden Plausibilität. Grandl gelingt es hervorragend, die abstrakte Gefahr von Deep Fakes und KI-gesteuerten Desinformationskampagnen in eine konkrete, packende Erzählung zu übersetzen. Das Buch zwingt einen geradezu dazu, über die eigene Medienkompetenz und die Verwundbarkeit unserer digitalen Gesellschaft nachzudenken.
Trotz kleinerer Längen in der Mitte und etwas steriler Charakterzeichnung ist „Reset“ ein hochspannender und intelligenter Thriller, der sich wohltut von Klischees. Grandl liefert eine düstere, aber faszinierende Vision, die noch lange nachhallt. Eine klare Leseempfehlung nicht nur für Genre-Fans, sondern für alle, die sich für die Schattenseiten unserer hypervernetzten Welt interessieren.
Bibliographisches zum Buch „Reset“
Erschienen im Deutschen bei dtv am 01.06.2025.
ISBN: 978-3-423-28472-1
Umfang: 480 Seiten
Preis (Gebunden): 22,00 €
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