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WICKED: TEIL EINS Kritik

Eine meiner liebsten Serien als Jugendliche war „Glee“. Über die vielen Anspielungen der Serie auf das Musical „Wicked“, habe ich meine Liebe für dieses Musical entdeckt – als ich dann die Buchvorlage dazu, Gregory Maguires Roman „Wicked – Die Hexen von OZ“ (eine Art Fanfiction zu L. Frank Baums „Der Zauberer von OZ“) gelesen und geliebt habe, war mein Fandasein quasi komplett. Als dann die Verfilmung des Musicals angekündigt war, hat sich also eine Mischung aus Vorfreude und Skepsis in mir breit gemacht.

Disclaimer: Den Film gibt es in den deutschen Kinos in drei Fassungen. Gezeigt wird er auf englisch, auf deutsch mit englischsprachigen Liedern und auf deutsch mit deutschsprachigen Liedern. Ich schreibe diese Kritik, nachdem ich den Film nur auf englisch gesehen habe.

Mehr als nur Vorgeschichte

„Wicked“ ist die Vorgeschichte zu L. Frank Baums „Der Zauberer von OZ“ und erzählt, wie aus der gutherzigen, aber misstrauisch beäugten Elphaba die „Böse Hexe des Westens“ und aus der oberflächlichen Galinda die „Gute Hexe des Nordens“ wird. Die Filme basieren auf dem Musical von Stephen Schwartz, das wiederum auf dem Buch von Gregory Maguire basiert. Der erste Teil beginnt mit dem ikonischen Moment, in dem das Volk von OZ den Tod der „Bösen Hexe des Westens“ feiert – nur um dann in eine ausführliche Rückblende über die wahre Geschichte der beiden Frauen einzutauchen. Zuschauer erleben, wie Elphaba und Galinda an der Shiz University aufeinandertreffen und zunächst eine von Abneigung geprägte Zimmergemeinschaft führen. Was folgt, ist eine komplexe Beziehungsgeschichte über Eifersucht, Freundschaft, erste Liebe und die Frage, was „böse“ überhaupt bedeutet – und wer in einer korrupten Gesellschaft diese Definition festlegt.

Wicked Teil 1: Copyright: Universal Pictures
Wicked Teil 1: Copyright: Universal Pictures

Die Magie der Darsteller: Erivo und Grande als perfekte Gegensätze

Cynthia Erivo als Elphaba ist die unbestrittene Seele des Films. Ihre Darstellung der grünhäutigen Außenseiterin ist nicht nur gesanglich atemberaubend, sondern auch schauspielerisch nuancenreich. Man spürt jede Verletzung, jede Hoffnung und jede aufkeimende Rebellion unter ihrer schroffen Fassade. Ariana Grande als Galinda/Glinda überrascht positiv: Sie fängt die Eitelkeit und Oberflächlichkeit der Figur perfekt ein, ohne sie zu einer größeren Karikatur werden zu lassen, als es die Figur ohnehin schon ist. Ihre Entwicklung von der selbstverliebten „It-Girl“-Schülerin zur reflektierteren jungen Frau ist glaubwürdig und berührend.

Beide treten in große Fußstapfen: Bekannt geworden ist das Musicals mit den Broadway-Stars Idina Menzel Elphaba und Kristin Chenoweth Galinda/Glinda in den Hauptrollen.

Jonathan Bailey als Prinz Fiyero stiehlt mit seinem Charme und seiner tänzerischen Präsenz die Show, wann immer er auf der Leinwand erscheint. Michelle Yeoh als Madame Morrible ist zwar schauspielerisch überzeugend, kann aber gesanglich nicht ganz mithalten.

Visuelles Spektakel: Eine atemberaubende Welt mit kleinen Überladungen

Regisseur Jon M. Chu hat Oz in eine lebendige, farbenfrohe und magische Welt verwandelt. Die Produktionsdesigner haben sichtlich Liebe zum Detail investiert – von den italienisch anmutenden Arkaden der Shiz University bis zum märchenhaften Wald mit seinen rosa Blüten und moosbewachsenen Felsen. Die Kostüme sind ein Fest für die Augen und unterstreichen die Charakterentwicklung, besonders bei Glindas pinker Transformation.

Doch manchmal neigt der Film zur visuellen Überladung. Einige CGI-Sequenzen wirken zu künstlich und erdrücken fast die emotionale Tiefe der Geschichte – und das obwohl große Teile des Sets sogar tatsächlich nachgebaut wurden. Hier hätte weniger manchmal mehr sein können.

Das große Problem: Die Zwei-Teile-Entscheidung

Die größte Schwäche des Films ist seine unvollendete Struktur. Während ich als Musical-Fan die ausführliche Charakterentwicklung zu schätzen weiß, dürfte sich der Film für Nicht-Eingeweihte oft wie eine ausgedehnte Exposition anfühlen. Subplots – wie die Geschichte der magischen Tiere oder Elphabas Beziehung zu ihrer Schwester Nessarose – bleiben unterentwickelt und tragen wenig zur Haupthandlung bei.

Die Entscheidung, das Musical in zwei Teile zu splitten, war von Anfang an umstritten, und nach 2 Stunden und 40 Minuten Laufzeit bleibt auch in mir ein zwiespältiges Gefühl: Der erste Teil visuell beeindruckend und emotional berührend, aber auch gezogen und ein bisschen unvollständig. Das Ende mit „Defying Gravity“ ist zwar emotional packend, hinterlässt doch ein unbefriedigendes Gefühl, da der eigentliche Höhepunkt der Geschichte erst im zweiten Teil folgen wird, der noch ein gutes Jahr auf sich warten lässt.

Wicked Teil 1: Copyright: Universal Pictures
Wicked Teil 1: Copyright: Universal Pictures

Fazit: Ein Film für Fans

„Wicked: Teil Eins“ schafft es, den Geist des Musicals einzufangen und mit den unfassbar guten Leistungen der Darsteller:innen zu glänzen. Dennoch leidet er unter der Entscheidung, die Geschichte in zwei Teile zu splitten – was zu teils nicht ganz ausgereiften Nebenhandlungen führt. Für alle, die noch keine eingefleischten Fans sind, dürfte der Film auch einige Längen mitbringen. Doch letztendlich überwiegt bei mir die die Freude über die tolle musikalische und schauspielerische Leistung und die tollen Bilder. Und die Vorfreude auf den zweiten Teil – sowie die Gewissheit, dass diese Adaption dem Musical trotz aller Makel mehr als gerecht wird.

Für wen lohnt sich der Film?

  • Absolute Musical-Fans werden die liebevolle Umsetzung und die starken Gesangsleistungen zu schätzen wissen
  • Alle, die eine opulente Fantasy-Welt mit relevanten Themen wie Ausgrenzung und Selbstfindung suchen
  • Zuschauer, die mit einem unvollendeten Ende leben können und den zweiten Teil abwarten möchten

Für wen eher nicht?

  • Zuschauer, die eine in sich abgeschlossene Geschichte bevorzugen
  • Alle, die mit Musical-Adaptionen wenig anfangen können
  • Menschen mit begrenzter Geduld für lange Laufzeiten

Letztendlich ist „Wicked Part One“ ein bisschen wie ein wunderschön verpacktes Geschenk, das nur zur Hälfte geöffnet wurde und bei dem man sich nun ein Jahr lang gedulden muss, um das gesamte Geschenk zu sehen.

Kurzinformationen

Land, Jahr: USA, 2024
Filmlänge: 160 Minuten
Genre: Fantasy/Musical
Regie: Jon M. Chu

Eve Bernhardt

Eve Bernhardt ist in Göttingen aufgewachsen und liest schon so lange sie denken kann. Nach ihrem FSJ Kultur studierte sie Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim. Sie arbeitet als Journalistin und betreibt seit 2020 betreibt ihren eigenen Jugendbuchpodcast.

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